VKB Magazin 2/22

VKB|BANK 19 „Geistiges zählt mehr als Materielles.“ EDGAR HONETSCHLÄGER BILDENDER KÜNSTLER UND FILMREGISSEUR FOTOS: EDGAR HONETSCHLÄGER 18 VKB|BANK BUSINESS Wie schafft ein Künstler den Spagat zwischen „brotloser“ und kommerzieller Arbeit? Honetschläger: Das Brotlose ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Den Markt gibt es seit der Renaissance. Ende des 19. und Anfang des 21. Jahrhunderts emanzipieren wir uns und erklären von nun an den Bürgerlichen die Welt. Davor waren wir an Kirche und Aristokratie als Auftraggeber gebunden. Indem wir den Spieß umdreh- ten, schufen wir genau diese Schere zwischen Arm und Reich. Seit den 1980ern fallen wir wieder ins Auftragswerk zurück – Konzerne, Oligarchen etc. Für mich sind Künstler Diener an der Gesellschaft, denn sie schaffen das, was den Menschen zum Menschen macht: Kultur. Nur da ist der Mensch gleichwertig mit der Natur. Alles Geld der Welt kann nur dazu dienen, etwas zu hinterlassen, was des Menschen würdig ist. Künstler bekommen einen Preis. Hinter Kunst steckt Geld. Wie stehen Sie zu diesem Spannungsfeld? Honetschläger: Die bildende Kunst ist nicht nur eine tragende Säule des kapitalistischen Sys- tems, sondern vielmehr seine Speerspitze. Heute gibt es Lager auf Flughäfen, die mit Kunst vollgestopft sind. Wenn sie im Wert steigt, wird sie gekauft und landet im Lager eines anderen Spekulanten. Die Auf- gabe der Kunst ist aber eine metaphysische. Ein gutes Kunstwerk geht durch den Bauch, durch die Seele und stiftet ein Glücksgefühl, das andere materielle Güter nicht schaffen können. Ich verstehe Künstler nicht, die sich Schlösser kaufen. Künstler sollten beispiel- gebend sein für eine immaterielle Gesellschaft, in der Geistiges mehr zählt als Mate- rielles, denn das macht glücklicher. In Ihrem Film „Aun“ stellen sich die Proponenten die Frage, wie es in Zukunft weitergehen wird? Welche Rolle könnte Geld in der Zukunft spielen? Honetschläger: Hoffentlich weniger oder – besser noch – keine. Wir können den unwiderruflichen Schaden, den wir an der Natur angerichtet haben, nicht mehr revidieren. Kein Geld dieser Welt kann diesen aufwiegen. Ich besitze nichts, eine bewusste Entscheidung, die ich schon als Junger traf, denn ich wollte nie mit dieser Belastung leben. Die Menschen bilden sich ein, mit Geld und Besitz Sicherheit schaffen zu können. Dann geht ein Atomkraft- werk in die Luft, Dürre vernichtet ihre Felder oder sie werden krank. Es gibt keine Sicherheit, alles Illusion. Rund um das Haus und Grundstück, das ich in Tarquinia nahe Rom am Meer pachte, leben die Landwirte von 1.000 Euro im Monat. Vierköpfige Familien. Glauben Sie mir, die essen besser als ein Lord in London. Ihr Land und ihrer Hände Arbeit nähren sie – alles, was sie nicht selbst herstellen, wird mit den Nach- barn getauscht. Supermärkte brauchen sie n gl i i c c h h t e . ne D r ie a s l e s M jen e e n , sc d h i e e n fo s r in tw d äh v r i e e n l d au n s a g c e h Geld streben. Je mehr Geld, des- to melancholischer, desto mehr hadern sie mit sich und der Welt, desto mehr Angst haben sie. Sie kämpfen gegen den Klimawandel, konkret ge- gen das Insektensterben. Wie kam es dazu und wie kann Geld dazu beitragen, Lösungen umzusetzen bzw. wie sehr steht Geld dem im Wege? Honetschläger: Das Konzept von gobugsgo.org ist es, den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Wenn viele gemeinsam ein Stück Land besitzen, wird sich die Politik schwerer tun, uneingeschränkt weiterzubetonieren und die verheerende Zersiedelung zuzulassen. Wir errichten menschenfreie Zonen. Eine Utopie. Der Mensch sucht nach Erholung, aber er gewährt der Natur keine. Die Erde wird sehr gut ohne uns auskommen, aber ohne die Erde, ohne die Natur ist der Mensch nicht existenzfähig. Die Hybris führt zur Selbstvernichtung. Die Natur hat juristisch keine Stimme. Diese versuchen wir, ihr zu geben. Kunst bedarf einer Redefinition. Sie muss systemrelevant werden, wenn sie in einer Welt vollkommen neuer Parameter weiter eine Daseinsberechtigung haben will. Bilder zu malen ist zu wenig. UTOPIST EDGAR HONETSCHLÄGER ist bildender Künstler und Filmregisseur. Er lebte und arbeitete fünf Jahre in den USA, zwölf Jahre in Japan sowie in Brasilien. 2006 gründet Honetschläger die EDOKO Institute Film Production in Wien und Tokyo, 2018 die NGO „gobugsgo.org“. Seit 2011 lebt und arbeitet er vorwiegend nahe Rom. Honetschläger entschied sich in jungen Jahren, weitestgehend besitzlos zu leben. Ich verstehe Künstler nicht, die sich Schlösser kaufen. Künstler sollten beispielgebend sein für eine immaterielle Gesellschaft, in der Geistiges mehr zählt als Materielles, denn das macht glücklicher.

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